Das Wochenendseminar, das sich Dominik Blum, stellvertretender Leiter der Abteilung Seelsorge am Bischöflich Münsterschen Offizialat, und Akademiedozent Alexander Rolfes ausgedacht haben, ist ein neues Format. Rockmusik, BAP, Kölsch und Katholisch, wie soll das zusammenpassen, hatte sich auch der Berliner Kripobeamte Steffen Claussen (56) gedacht, als er online von diesem merkwürdigen Seminar erfuhr. Doch jetzt ist er überzeugt: „Das passt“. In den Texten von Wolfgang Niedecken steckten so viele Lebensweisheiten, so viele gute Auseinandersetzungen mit dem Leben, mit Politik und Gesellschaft, Familie und Religion, mit der Verarbeitung der Nazizeit, mit der aktuellen Abneigung gegen Flüchtlinge – tagelang könnten sich die Männer darüber austauschen. „Die Diskussionen in der Gruppe sind tatsächlich auf einem sehr hohen Niveau“, sind Blum und Rolfes beeindruckt. Alle hätten ein großes Interesse an Politik und gesellschaftlichen Entwicklungen. Keine Stammtischparolen. „BAP-Fans sind doch alle aus dem gleichen Holz geschnitzt“, lacht Blum. Er kann es beurteilen, ist selbst einer. Die Runde redet offen über alles. Irgendwann kommt das Thema auch auf Religion, Frauen und Beziehungen. Männerseelsorge halt. Frauen hätten da nur gestört.
Auch in den Pausen reden die 17 Männer - der älteste ist 75 und mit einer schweren BMW aus Hannover angereist - viel über BAP. Drei haben ihre Gitarren dabei, spielen draußen in der Abendsonne oder wenn ihre Gruppe bei Kölsch und BAP-Musik zusammensitzt und alle merken, wie viele Gemeinsamkeiten sie haben. Sie zeigen sich ihre Eintrittskarten, Pins, Bilder oder handgeschriebenen BAP-Texte, schwelgen in Erinnerungen. Mehrere aus der Runde kennen Niedecken, den legendären Frontmann der Kölner Band, persönlich. Seine Texte sind absolut authentisch, sagen sie. Seit seinem Schlaganfall, den er auch musikalisch verarbeitet, bringe er noch mehr Emotionen auf die Bühne, findet Frank Piwecki (52), Dozent für politische Bildung aus Buchholz bei Hamburg. Auch seine Familie hat er schon lange mit dem BAP-Virus infiziert. „Wir sind alle mit Niedecken alt geworden“, ergänzt Ruff. Die meisten BAP-Fans befinden sich in der zweiten Lebenshälfte. Doch der Nachwuchs kommt. Im letzten Jahr habe er seinen 17-jährigen Sohn auf das neue BAP-Konzert in Berlin mitgenommen, lacht Claussen. Der Junior habe nicht gewusst, wer da auftrete, sich nur über die vielen alten Männer gewundert. Nach dem Konzert sei er schwer beeindruckt gewesen - von der Musik und der tollen Stimmung. Jetzt hört er auch BAP.
Diese Seminarart wollen sie wiederholen, sagen Blum und Rolfes. Das Experiment hat funktioniert. Und die Männer? Er fand es beeindruckend, meint Ruff. „Ich fahre mit wunderbaren Gedanken wieder nach Hause.“ „Fortsetzung folgt“, sagt Piwecki nur. BAP-Fans wissen natürlich: Auch das ein BAP-Titel. Man könnte sich nur mit BAP-Titeln unterhalten. Würde reichen. Beim Gruppenbild hält einer ein BAP-Banner, ist mit dem Ding auf einen Baum geklettert. Vor der Gruppe sitzt Horst Waterkamp als Gruppenältester auf seiner schweren BMW. Und alle singen: „Verdamp lang her.“
Ludger Heuer
Aktuelles
Verdamp lang her
25. März 2017 - Stapelfeld
Die alten Männer und ihre gute Musik
Für BAP ist ihm kein Weg zu weit. Martin Ruff (65), Anästhesiepfleger im Ruhestand, hat alle gesehen. Alle? Ja, alle. Auf allen 51 Konzertreihen ist er gewesen, egal wo. Seit ihrem Durchbruch 1982 begleitet er die Kölner Rockband, ist einer ihrer treusten Fans, besitzt, wie er sagt, alle jemals erschienenen Veröffentlichungen. Im seinem Auto hatte er zur Kassettenzeit ausschließlich BAP-Kassetten. Seine Familie hat es nicht nur klaglos ausgehalten, sondern die Musik des Sängers Wolfgang Niedecken auch sogar lieben gelernt, wundert er sich selbst ein wenig. Dass so einer wie Ruff den Weg aus dem heimischen Treuchtlingen bei Nürnberg in das Südoldenburger Stapelfeld nicht scheut, wenn hier ein BAP-Seminar angeboten wird – wen wundert´s?