Vechta, Oldenburger Land, Bistum Münster, 18.11.; Drei Trauer-Blutbuchen wurden heute symbolisch in Vechta gepflanzt: An der katholischen Propsteikirche St. Georg, am Bischöflich Münsterschen Offizialat (BMO) und auf dem BDKJ-Jugendhof. Mehr als 100 weitere Bäume werden auf dem ganzen Gebiet des Bistums Münster in diesen Tagen gepflanzt. Auf Initiative von vom sexuellen Missbrauch Betroffenen hat Bischof Dr. Felix Genn im Juni 2024 Pfarreien und kirchliche Einrichtungen im Bistum Münster dazu aufgerufen. Die Trauer-Blutbuchen sollen als lebendige Zeichen über Generationen hinweg an den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche erinnern. Zu den Pflanzaktionen in Vechta waren Mitarbeitende und Mitglieder der Pfarrei, die Dienstgemeinschaft des BMO, zu der auch der Landes-Caritasverband, die Schulstiftung St. Benedikt und die Katholischen Freiwilligendienste gehören, und die Mitarbeitenden des BDKJ-Jugendhofes gekommen. Der Zeitraum ist bewusst gewählt. Der 18. November ist der europäische Tag zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch.
Mit den Bäumen soll mahnend an den sexuellen Missbrauch erinnert werden, den Priester und andere Vertreter der katholischen Kirche begangen haben. Auch auf die Vertuschung durch kirchliche Verantwortungsträger möchten die Initiatoren mit der Pflanzung langfristig hinweisen.
„So etwas darf in unserer Kirche, in unserer Gesellschaft nie wieder vorkommen,“ betonte Pastoralreferent Daniel Richter, im Namen der Gremien der Pfarrei St. Mariä Himmelfahrt Vechta. An der Propsteikirche verfolgten die mehr als 100 Teilnehmenden anschließend Worte, die von einem Betroffenen formuliert wurden. Aus gesundheitlichen Gründen konnte er nicht selbst an der Pflanzung teilnehmen. Er beschrieb auch das Symbol der Trauer-Blutbuche: „Die hängenden Äste des Baums symbolisieren den Schaden, den ein Missbrauchsopfer ein Leben lang in sich trägt,“ die Blutbuche sei durch Menschenhand so verändert worden, es sei ein Eingriff in die natürliche und freie Entwicklung. „Wir Betroffenen, die wir durch einen Priester missbraucht wurden, tragen diesen Schaden durch unser Leben, sichtbar oder -meistens- unsichtbar. Daran soll uns dieser Baum erinnern.“
„Mir war es wichtig, dass der Baum öffentlich gut sichtbar gepflanzt wird,“ erklärt Weihbischof Wilfried Theising, der den Baum vor dem Haupteingang der Kirchenverwaltung pflanzte. „Das, was passiert ist, kann uns nicht gleichgültig sein, kann mir als Verantwortlichem nicht gleichgültig sein“, stellte Theising zur Begrüßung fest. Mitarbeitende trugen exemplarisch Zitate aus der Missbrauchsstudie vor, in der in Verantwortung der Universität Münster, der Missbrauch im Bistum Münster aufgearbeitet wurde. Veröffentlicht wurde sie 2022. Darin wird z. B. folgende Aussage dokumentiert: „Ich wusste gar nicht, was das soll. Nur, dass es eklig war, richtig ekelhaft“, so gibt ein Betroffener sein Gefühl als Grundschüler wieder. Für viele Betroffene, heißt es weiter, sei es nicht einfach in Begriffe zu fassen, was ihnen angetan wurde. Gedenken und Erinnerung seien Teil der Aufarbeitung, sagte Theising im Gottesdienst, der vor der Pflanzung stattfand. Es bliebe wirkungslos, „wenn wir danach zur Tagesordnung übergingen“, sagte er und schloss seine Worte mit einem Appell: „Gemeinsam mit Bischof Felix ermutige ich daher alle – Hauptamtliche, Ehrenamtliche und Mitglieder der Kirche – sich mit Kräften für die Aufarbeitung sowie künftige Verhinderung des sexuellen Missbrauchs zu engagieren.“
Auch auf dem Jugendhof in Vechta steht jetzt eine Trauer-Blutbuche. Mitten im Geschehen, dort, wo alle Gäste regelmäßig vorbeikommen. „Seit vielen Jahren ist der BDKJ-Jugendhof ein Ort, der jungen Menschen Raum gibt, Gemeinschaft zu erleben und in ihrer Persönlichkeit zu wachsen“, sagte Steffen Menke, Geistlicher Leiter des BDKJ. Genau an diesem Ort sei würde ein Baum gepflanzt, als Erinnerung an das Leid, das Kindern und Jugendlichen zugefügt worden sei. Bei der Pflanzung wurden Aussagen von Menschen vorgetragen, die sexuellen Missbrauch erlebt haben, die darüber erzählen, wie kirchliche Vertreter darauf reagiert hätten, welche Gedanken zu Gott sie umtreiben und über das Gefühl „allein zu sein.“ Auch ein Zitat zur Vergebung wurde vortragen: „Ich werde immer wieder gefragt, ob ich dem Täter vergebe. Der Täter sagt bis heute, da war nichts. Wie kann ich jemandem vergeben, der gar nichts getan hat?“