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Der Weg zu den Pastoralen Räumen - Interview mit der Leitung des BMO

14. Dezember 2022 - Vechta, Oldenburger Land

Weniger Personal, weniger Gläubige, weniger Geld: Kirche steht vor großen Veränderungen. Unverändert aber gilt der Auftrag Jesu, das Evangelium zu verkünden. Damit Christen auch im Oldenburger Land unter künftig deutlich veränderten Bedingungen ihren Glauben leben und bezeugen können, richtet das Bistum Münster Pastorale Räume ein. Was es damit auf sich hat und wie Kirche trotz vieler Abbrüche neu aufbrechen kann, darüber sprechen Offizial und Weihbischof Wilfried Theising, Dr. Markus Wonka (Leiter der Abteilungen Seelsorge und Seelsorge-Personal im BMO) sowie Michael gr. Hackmann (Finanzdirektor und Leiter der Abteilung Verwaltung) im Interview mit Dr. Philipp Ebert.

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Dr. Markus Wonka (von rechts), Offizial und Weihbischof Wilfried Theising und Finanzdirektor Michael gr. Hackmann im Gespräch mit Philipp Ebert.

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Weihbischof Wilfried Theising

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Dr. Markus Wonka, Leiter der Abteilungen Seelsorge und Seelsorge-Personal

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Finanzdirektor Michael gr. Hackmann

Herr Weihbischof, im Bistum Münster und damit auch im Offizialatsbezirk Oldenburg soll es künftig sogenannte Pastorale Räume geben. Was hat es damit auf sich?

Theising: Mit den Pastoralen Räumen geben wir eine Antwort auf die Herausforderung, die Bischof Dr. Felix Genn klar formuliert hat: sicherzustellen, dass die Kirche vor Ort lebendig bleibt und das Evangelium in Zukunft auch unter deutlich veränderten Rahmenbedingungen weiterhin glaubhaft und überzeugend verkündigt werden kann. In der Praxis heißt das: Pfarreien innerhalb eines Pastoralen Raumes werden stärker als bisher miteinander kooperieren – auch deshalb, weil unsere hauptberuflichen Seelsorgerinnen und Seelsorger künftig nicht mehr nur für eine Pfarrei zuständig sein können. Die Ehrenamtlichen, die sich weiterhin in der Kirche engagieren wollen, werden künftig mehr Aufgaben übernehmen: in der Seelsorge, in der Verkündigung, in der Liturgie. Dabei lassen wir die Gläubigen aber nicht allein. Wer will, kann sich umfangreich weiterbilden und qualifizieren. Dafür stärken wir die Erwachsenenbildung im Oldenburger Land deutlich.

Wie ist es zur Idee der Pastoralen Räume gekommen? Wozu sollen sie dienen?

Theising: Die katholische Kirche erlebt eine tiefgreifende Transformation – so wie viele andere gesellschaftliche Institutionen. Das können wir an verschiedenen Beobachtungen ablesen, u.a. an der Tatsache, dass die Zahl der Seelsorgerinnen und Seelsorger abnehmen wird. Das betrifft Priester und Diakone ebenso wie Pastoralreferentinnen und -referenten. Aber auch die Zahl der Gläubigen im Oldenburger Land – wie überall in Deutschland – wird in den kommenden Jahrzehnten schrumpfen. Aus diesem Grund hat Bischof Dr. Genn die Bildung Pastoraler Räume initiiert. Wir reagieren auf diese Trends, um die Kirche langfristig für diese Entwicklungen fit zu machen. Und um dafür zu sorgen, dass unser Glaube auch in Zukunft gefeiert, bekannt und gelebt werden wird. Dazu gehört: Die Pfarreien werden enger miteinander kooperieren und auch gemeinsam Angebote der Seelsorge entwickeln. Zugleich bleiben sie aber rechtlich eigenständig.

Die Pfarreien werden also nicht zusammengelegt?

Theising: Wir streben in diesem Strukturentwicklungsprozess keine Zusammenlegung von Pfarreien an, außer wenn sie das ausdrücklich wünschen. Das hat Bischof Dr. Genn entschieden und dazu stehe auch ich.

Und wann fällt die endgültige Entscheidung, wann werden die Pastoralen Räume aufgestellt? Wie genau werden die Regionen zugeschnitten?

Theising: Derzeit finden viele Gespräche mit den Pfarreien, Einrichtungen und Verbänden statt. In vielen Gremien wird darüber beraten. Die Entscheidung über den Zuschnitt und die Aufstellung der Pastoralen Räume soll dann bis zum Sommer 2023 fallen. Wir vom BMO haben Vorschläge über sechs Pastorale Räume unterbreitet (siehe hier). Diese sind derzeit Gegenstand der Gespräche zur Beteiligung der Pfarreien. Ob unsere Vorschläge am Ende genau so umgesetzt werden, wird man sehen. Wichtig ist: Der Zuschnitt muss für die Menschen in den Pfarreien passen und das kirchliche Leben unterstützen.

Können die Kirchengemeinden dabei ein Wort mitreden? Und wer ist sonst noch am Prozess beteiligt?

Theising: Grundsätzlich ist es uns im BMO wichtig, die Pfarreien von Anfang an in diesen Prozess einzubinden. Das grundsätzliche „Ob“ einer engeren Verzahnung der Gemeinden können wir mit Blick auf die Fakten nicht in Frage stellen. Wie aber die Pastoralen Räume aussehen werden, das wird unter Beteiligung der dafür zuständigen Gremien im Offizialatsbezirk und in den Pfarreien am Ende vom Bischof entschieden. Neben der Leitung und weiteren Vertretern des BMO spielen, wie gesagt, die Haupt- und Ehrenamtlichen in den Pfarreien selbst eine wichtige Rolle. Zusätzlich gibt es einen Beirat, in dem Vertreter aus vielen kirchlichen Bereichen zusammenkommen: aus der Schule, der Erwachsenenbildung, der Caritas, der Seelsorge, der Forschung …

Herr Dr. Wonka, als Leiter der Abteilungen Seelsorge und Seelsorge-Personal sind Sie verantwortlich für die Pastoral der Zukunft. Sie sind ganz nah dran: Wie tiefgreifend ist der Wandel, den Kirche in den kommenden Jahren erfahren wird?

Wonka: Der Wandel ist fundamental. Kirche erlebt, was viele Organisationen durchleben: Menschen identifizieren sich weniger mit Institutionen. Menschen lassen sich Inhalte des Glaubens kaum mehr vorschreiben, sondern wollen stärker selber wählen. Zugleich wachsen die Erwartungen an die Professionalität von Kirche in ihrer täglichen Arbeit. Ent-Institutionalisierung, Individualisierung, funktionale Segmentierung – das sind die Stichworte, die weitreichende Auswirkungen für uns als Kirche haben. Darauf müssen wir Antworten finden. Und nicht zuletzt befördern die innerkirchlichen Krisen einen weithin wahrnehmbaren Vertrauensverlust. Ob Ursache oder Folge – die Bedeutung des christlichen Glaubens für das eigene Leben schwindet bei vielen Menschen, vor allem bei den jungen. Und damit löst sich auch zunehmend die Bindung an die Kirche. In vielen Gemeinden höre ich, dass diese Entwicklung beklagt wird. Und Corona hat vieles davon schmerzhaft offengelegt.

Inwiefern helfen die Pastoralen Räume, diesen Herausforderungen zu begegnen?

Wonka: Menschen identifizieren sich nicht mit großen Räumen. Sie leben für ihren „Kirchturm“ vor Ort. Also müssen wir dafür Sorge tragen, dass vor Ort gute Rahmenbedingungen erhalten bleiben, damit die Gemeinden ihr Leben aufrechterhalten können. Die Intention ist, dass die Verantwortung für die Entwicklung der Seelsorge vor Ort verbleibt. Dort, wo die Menschen leben, wird es weiter Seelsorge geben. Da aber nicht jede Gemeinde und Pfarrei auf Dauer alles allein aus sich heraus stemmen kann, wird der Gedanke der Zusammenarbeit wichtiger werden. Nehmen wir ein fiktives Beispiel: Die Vorbereitung von Erstkommunion oder Firmung muss ja nicht in jeder Pfarrei neu erfunden werden, sondern hier können Haupt- und Ehrenamtliche mit ihrem Konzept vielleicht in mehreren Pfarreien in einem Pastoralen Raum fruchtbar wirken.

Wie viel Personal wird dann langfristig in der Seelsorge im Oldenburger Land eingesetzt sein?

Wonka: Für das ganze Oldenburger Land rechnen wir damit, dass im Jahr 2040 noch etwa zehn Diözesanpriester im Einsatz sind – 2020 waren es noch über 40. Bei den Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten sowie bei den Diakonen verzeichnen wir ähnliche Entwicklungen Auch wenn es weh tut: Die genannten Entwicklungen bedeuten an verschiedenen Stellen, dass wir uns in den kommenden Jahren von manch liebgewordener Praxis und vertrauten Formen werden verabschieden müssen. Manche bezeichnen dies als Abschied von der „Volkskirche“. Die Zahl von Gläubigen und von hauptberuflichen Seelsorgerinnen und Seelsorgern nimmt ab. Damit unsere Seelsorgerinnen und Seelsorger dies bewältigen können, ist es notwendig, dass sie auch weiterhin in Teams zusammenarbeiten können. Auch deshalb wird stärker als bisher auf Kooperation und Teamarbeit gesetzt – auch zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen. Die Aufgaben des pastoralen Personals werden sich dadurch verändern. Zugleich werden die Ehrenamtlichen gefördert und qualifiziert: für die Leitung, in ihren pastoralen Grundkompetenzen, in der Stärkung des Taufcharismas und vielem mehr.

Herr gr. Hackmann, wir haben viel über die Perspektiven aus der Seelsorge gehört. Welche Notwendigkeiten sehen Sie für die Errichtung Pastoraler Räume?

Gr. Hackmann: Bisher sind Priester nicht nur Seelsorger, sie machen auch viele Verwaltungsaufgaben. Davon wollen wir sie langfristig befreien, damit sie ihrer eigentlichen Aufgabe besser nachkommen können. Gerade, weil es weniger Seelsorger und Seelsorgerinnen in der Fläche geben wird. Das bedeutet, dass wir im Oldenburger Land die Pfarreien auch in der Verwaltungsarbeit weiter professionalisieren müssen. An manchen Stellen wird auch Entlastung nötig sein, schließlich wird Verwaltung durch neue Auflagen und Regeln immer komplexer.

Auch wenn die Pastoralen Räume kommen, sollen die Pfarreien bestehen bleiben. Wie soll man sich das vorstellen?

Gr. Hackmann: Die Pfarreien sind alteingesessene, teils jahrhundertealte Körperschaften. Die Gläubigen hängen an ihren Gemeinden. Die Pfarreien sind auch vermögensrechtlich unabhängig. All das wollen wir nicht antasten, wenn die Pfarreien es nicht selbst anstreben. Was sich aber ändern wird: Hauptamtliche werden sich künftig um mehr als eine Pfarrei kümmern – und auch Ehrenamtliche und Kirchenmitglieder werden vielleicht häufiger als bisher in eine angrenzende Pfarrei fahren, wenn sie dort durch ein Angebot angezogen werden.

Und welche Auswirkungen hat das auf die Verwaltungsarbeit und -zuständigkeit in den Pfarreien?

Gr. Hackmann: Eins vorweg: In den Pfarreien wird tolle und engagierte Verwaltungsarbeit gemacht. In vielen Fällen aber wird die Verwaltungsarbeit deutlich mehr. Wenn Kirche künftig noch stärker als bisher auf den Schultern von Ehrenamtlichen steht, müssen wir in manchen Bereichen Möglichkeiten finden, die Last der Verwaltungsarbeit etwas zu reduzieren, damit Hauptamtliche und Ehrenamtliche das machen können, was den Kern von Kirche ausmacht: Verkündigung, Nächstenliebe, Zeugnisgeben.