Die Bestimmung des Hirntodes und damit von lebend und tot sei der mächtigste Bereich in der Medizin, die Organentnahme der gewalttätigste Eingriff in die körperliche Integrität, sagte der Neurochirurg Prof. Dr. Andreas Zieger. Die Körper von Spendern würden so zu einem Objekt gemacht. Hirntod sei rechtliches Niemandsland, die Betroffenen würden auf einen biologischen Nullwert reduziert. Dabei können sie jahrelang beatmet und intensivmedizinisch versorgt werden und zeigen keine typischen Todeszeichen. Hirntote Schwangere können sogar von gesunden Kindern entbunden werden. Hirntote müssen bis zur Organentnahme am Leben gehalten, ernährt, gewaschen und gepflegt werden. Das sei für Pflegende oft traumatisch. Den Hirntod müssen zwei Ärzte im Abstand von zwölf Stunden protokolieren. Ein Sterben in Würde komme dann nicht mehr vor.
Organentnahmen sollten prinzipiell nur nach umfassender ärztlicher Aufklärung und auf Basis individueller Zustimmung erfolgen, forderte Zieger. Statt mehr Transplantationen bräuchte es einer Bekämpfung der Organbedürftigkeit und einer besseren Erziehung zur gesunden Lebensführung.
Ähnlich äußerte sich auch der Moraltheologe Prof. Dr. Eberhard Schockenhoff. Das Wissen, einem anderen Menschen mit einer Organspende die erneute Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglichen zu können, erfordere eine ernsthafte Prüfung des Gewissens, sagte er. Doch die Bereitschaft zur Organspende müsse freiwillig und nach einer Selbstverfügung des Spenders erfolgen. Allein die dringende Angewiesenheit eines Empfängers dürfe kein moralischer Grund sein. Ohne die strikte Einhaltung der Freiwilligkeit verliere die Transplantationsmedizin die moralische rechtliche Legitimation und Zustimmung der Öffentlichkeit. Klar sprach er sich auch gegen wirtschaftliche Anreize wie das Verkaufen von Organen lebender Spender und Organhandel aus.
Eine erweiterte Widerspruchlösung erzeuge großen moralischen Druck, da jeder als Organspender gelte, sofern nicht er selbst oder Angehörige der Organentnahme widersprochen hätten. Potentielle Spender würden nach ihrem diagnostizierten Hirntod unter Umständen gegen ihren in Patientenverfügungen erklärten Willen intensivmedizinisch am Leben gehalten. „Sich über derartige Festlegungen hinwegzusetzen, nur weil der Betreffende einer eventuellen Organentnahme nicht zu Lebzeiten widersprochen hat, wäre in jedem Fall ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht, der unter rechtsstaatlichen Voraussetzungen auch durch das hochrangige Interesse der Organempfänger nicht gerechtfertigt werden könne.“ Vorstellen könne sich der Moraltheologe jedoch Modelle, beim Beitritt zu einer Krankenkasse eine Erklärung zur Organspende abzugeben und sie auf dem Führerschein oder Personalausweis vermerken zu lassen.
Ludger Heuer
Aktuelles
Organspende als Christenpflicht?
27. September 2019 - Stapelfeld
Referenten beim Stapelfelder Ärzteforum fordern Freiwilligkeit
Deutliche Position gegen die zurzeit diskutierte erweiterte Widerspruchregelung bei Organspenden bezogen in der vergangenen Woche die Hauptreferenten des ersten Ärzteforums in der Katholischen Akademie Stapelfeld, der Oldenburger Neurochirurg Andreas Zieger und der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff. Organspenden dürften nur freiwillig erfolgen, waren sie sich einig. Unter dem Motto „Organspende – Christenpflicht?“ nahmen knapp einhundert Ärzte, Zahnärzte und Psychologen an der Veranstaltung teil. Er könne es nicht versprechen, dass es eine harmonische Veranstaltung werde, sagte Akademiedirektor Pfr. Dr. Marc Röbel bei der Begrüßung. Es solle durchaus kontrovers diskutiert werden. Als wichtiges Forum bezeichnete Schirmherr Weihbischof Wilfried Theising das Treffen. Ärzte und Geistliche hätten bei Sterbenden oft gemeinsame Interessen und wollen ihnen dienen.