In der Neuapostolischen Kirche in der Sophienstraße empfangen uns Pastor Erwin Bodamer und Vertreter der Gemeinde mit Tee und Plätzchen. „Das Glaubensziel unserer Kirche ist die Wiederkunft Jesu Christi“, erklärt der Pastor. Die Gemeinde habe sich lange abgeschottet. „Gott sei Dank hat sich das in den letzten zwanzig Jahren geändert.“ Die Predigten würden weltweit immer einem einheitlichen Leitgedanken folgen, erklärt er. Bodamer spricht über die Bedeutung der Kirchenmusik, die weltweite Übertragung großer Gottesdienste und die Kirchenverwaltung in Hamburg, zu der der Bezirk Wilhelmshaven mit neun Gemeinden zählt. Finanzieren würde sich seine Kirche über Opfergaben. Mitgliederschwund kennt sie leider auch. In Jever gibt es für 162 Mitglieder fünf Priester und fünf Diakone. Pfarrer Albers müsste neidisch werden. Als einziger katholischer Pfarrer kümmert er sich in Jever und Schortens mit einem Pastoralreferenten und einer Pastoralassistentin um ca. 2.800 Seelen. Doch bei der Neuapostolischen Kirche ist dieses Verhältnis normal. Weltweit hat sie knapp neun Millionen Mitglieder, davon 340.000 in Deutschland. In der Kirche gibt es so viele Amtsträger, dass sich im Schnitt jeder nur um ca. 40 Gemeindemitglieder kümmern muss. Doch im Gegensatz zur katholischen Kirche verrichten die meisten ihren Dienst nebenamtlich. Bis zu 60 Gemeindemitglieder - ein Drittel der Gemeinde - kommen zum Gottesdienst in die geräumige Kirche.
In der evangelischen St. Annen Kapelle, heute als allgemeine Friedhofskapelle genutzt, wartet Enno Schönbohm. Der Geschichtslehrer i.R. kennt das 1610 erbaute Kleinod gut, 2007 hat er den Führer seines Vaters Bernhard neu bearbeitet. Auf dem Friedhof macht Pfarrer Albers die Gruppe auf interessante Gräber verschiedener Konfessionen aus dem 19. und 20. Jahrhundert aufmerksam.
Weiter geht es zum Bethaus der Baptisten. 95 getaufte Mitglieder mit Familien gibt es in Jever, Wangerland und Wittmund. 1840 wurde die Gemeinde als vierte in Deutschland gegründet. 1858 baute sie am Elisabethufer diese Kapelle mit unterirdischen Taufbecken, erzählt der langjährige Pastor Gregor Held. Das Becken ist abgedeckt, der Grundriss ist aber zu erkennen. Hier werden die erwachsenen Täuflinge untergetaucht. Stehen Taufen an, wird der Boden hochgenommen und das Becken am Tag vorher gefüllt. Es sind mehre Kubikmeter, in einem ausgeklügelten Wechselspiel muss kaltes und warmes Wasser eingelassen werden. „Baptisten sind gesellige Leute“, erklärt Held. In der Kapelle trifft man sich zum Plausch, bei den Gottesdiensten und den halbstündigen Predigten wird gegessen, es gibt Kaffee und Tee. „Daher haben die Bänke keine schrägen Ablagen“, zeigt uns Held. Der Abendmahlstisch ist ein kleiner runder Tisch mit gepolsterten Stühlen. Beim Abendmahl, das die Baptisten einmal im Monat feiern, geht der Kelch durch die Reihen. Traubensaft, kein Wein. Und statt Gesangbüchern gibt es einen Beamer mit Leinwand. „Das beflügelt den Gesang, dann sind die Leute nicht so in ihre Bücher eingegraben“, lacht Held. Im Obergeschoss der Kapelle befinden sich Gruppenräume, Küche und Spielzimmer. Die ganze Gemeinde unter einem Dach.
Die nächste Station ist ein schlichtes Gemeindehaus. 1968 hatte die Neue Evangelische Gemeinde Jever das Gebäude in der Wangerländischen Straße gekauft. Pastor Heinz Werner Ebmeier, der hier lange mit seiner Familie gewohnt hat, führt uns herum. Als er das Haus 1977 verließ, baute die Gemeinde einen großen Gottesdienstraum an. Ein Taufbecken wie die Baptisten haben sie nicht, das machen sie in einem See. Die Taufe habe bei ihnen keinen so hohen Stellenwert, sagt Ebmeier. Wer als schon getauftes Mitglied der Evangelischen Landeskirche zu ihrer Freikirche wechsle, lasse sich meist nicht nachtaufen. Seine Gemeinde gehört wie 110 weitere zur 1848 gegründeten „Evangelischen Gesellschaft für Deutschland“. In Jever und dem Wangerland hat sie 34 Mitglieder, bei den sonntäglichen Gottesdiensten kämen sie mit Familien, so dass bis zu 60 Personen mitfeiern. Finanzieren muss sich seine Kirche über Spenden. Das Geld reicht für eine dreiviertel Pastorenstelle. Ein Zubrot verdient sich Ebmeier als Geldbote einer Bank.
Die nächste Station führt in die Geschichte. Am Grölscher-Haus in der Innenstadt empfängt uns Volker Landig, ev. Stadtpfarrer i.R. Seit 2014 gibt es hier das Zentrum für Jüdische Geschichte und Zeitgeschichte der Region Friesland-Wilhelmshaven. Landig ist einer der treibenden Köpfe dieses Projekts. Auf dem Gebiet des Hauses, das bis vor wenigen Jahren als Schuhgeschäft benutzt wurde, konnte die Jüdische Gemeinde 1880 ihre Synagoge errichten. In der Reichspogromnacht 1938 wurde sie angezündet, wenige Jahre nach dem Krieg verschwanden ihre Überreste. Nur die Mikwe, das Ritualbad, ist noch erhalten. Juden gibt es heute nicht mehr in der alten Residenzstadt. Doch mit dem Dokumentationszentrum möchte der Arbeitskreis Grölscher-Haus die Erinnerung an fast 250 Jahre jüdisches Leben wachhalten.
Die letzte Station ist die Evangelische Stadtkirche, die 1964 den abgebrannten Vorgängerbau ersetzte. Es ist die zentrale Kirche für 6.796 Kirchenmitglieder. Erneut ist Enno Schönbohm zur Stelle und zeigt die Kirche mit ihrer modernen Ausstattung und den Fenstern, die bereits kurz nach Fertigstellung der Kirche ausgetauscht werden mussten. Die ursprünglichen waren zu hell gewesen. Die Orgel zählt mit 48 Registern zu den größten der Oldenburgischen Kirche. Zum Schluss schließt uns Schönbohm die Kapelle mit dem prächtigen Renaissancegrab des 1511 verstorbenen Edo Wiemken auf. Der friesische Häuptling war der letzte männliche Regent des Jeverlandes. Über unsere heutige Tour hätte er sich wahrscheinlich gewundert. Zu seiner Zeit gab es diese Vielfalt an Glaubensgemeinschaften noch nicht.
Ludger Heuer
Aktuelles
Schritte aufeinander zu
19. Juni 2017 - Jever
Mit dem Rad zu Jevers Kirchen
Einmal im Jahr lädt Walter Albers, Pfarrer der katholischen Kirchengemeinde St. Marien, seinen Gemeindeausschuss zu einer Überraschungsfahrt ein. Diesmal geht es mit dem Rad zu den verschiedenen Glaubensgemeinschaften von Jever. Albers möchte damit das Motto „Schritte aufeinander zu“ umsetzen, mit dem die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen für mehr interkonfessionelle Kontakte wirbt. Für die meisten der zehn Teilnehmer ist bei der Tour viel Neues dabei. Die Fahrt ist genau getaktet und gut organisiert. Vorweg als Scout der Pfarrer, hinten ein Ausputzer. Nach dem Rückenaufdruck auf unseren neuen Warnwesten radeln wir einige Stunden als „Katholische Jugend Jeverland“ durch die Stadt. Jetzt bloß keine falschen Witze machen.


© Offizialat/Heuer
Pfarrer i.R. Georg Held erklärt im Bethaus der Baptisten den Gebrauch des Abendmahltisches


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Die Gruppe startet neu nach dem Besuch des Gemeindehauses der Neuen Evangelischen Gemeinde