Navigationsmenüs (Bischöflich Münstersches Offizialat)

Aktuelles

Starke Frauen im Islam

09. September 2016 - Stapelfeld

Erst Berührung mit Christentum änderte Stellung der Frau

Viele Vorschriften der Scharia seien heutzutage islamischen Richtern nicht mehr richtig bekannt, sagte Prof. Dr. Dr. Ina Wunn gestern in der Katholischen Akademie Stapelfeld. „Steinigen ist keine islamische Strafe“, erklärte sie. Auf Ehebruch stünde nach der Scharia das nicht tödlich verlaufende Auspeitschen. Doch moslemische Kadis würden in vielen Ländern statt der richtigen Schariagesetze immer häufiger  frauenfeindliches Gewohnheitsrecht anwenden. Auf Einladung der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands und der oldenburgischen Arbeitsgemeinschaft des Sozialdienstes katholischer Frauen sprach die Religionswissenschaftlerin der Universität Hannover über „Frauen, Islam und Einwanderung“. „Ein neues Frauen-Bild für Deutschland?“ lautete der ungewöhnliche Untertitel der Veranstaltung, zu der ca. 160 Teilnehmer/innen aus dem ganzen Oldenburger Land gekommen waren.

Porf. WunnGroßansicht öffnen

Prof. Ina Wunn sprach in Stapelfeld über die Rolle der Frau im Islam.

Frauen hätten im Islam ursprünglich eine starke Rolle gespielt, erklärte Wunn. Khadida, die erste Frau des Propheten Mohammed, sei eine vermögende Geschäftsfrau gewesen, die dem deutlich jüngeren Mohammed einen Heiratsantrag gemacht habe. Aus den ersten Jahrhunderten des Islam gebe es viele Beispiele von Frauen als Heerführerinnen, Gelehrten oder Herrscherinnen. Noch um 1250 sei Ägypten von einer Frau beherrscht worden. Erst durch die Berührung mit dem byzantinischen Reich  im Zuge der Ausbreitung des Islams sei das Rollenbild der Frau negativ beeinflusst worden. Im Judentum und Christentum, machte Wunn klar, habe die Frau ursprünglich weniger als im Islam gegolten. Denn während Gott dort Frau und Mann gleichwertig erschaffen habe, habe im Christentum und Judentum der Mann, aus dessen Rippe die Frau geschaffen wurde, eine höhere Stellung. Der Koran hingegen betone vielfach eine starke Frauenrolle. Sie erfahren dort eine hohe finanzielle Absicherung, müssen nicht für den Unterhalt der Familie aufkommen und sind selbst im Trennungsfall gut abgesichert. Ehebruch, heute oft Anlass für das Einschreiten selbsternannter Glaubenswächter, sei laut dem Koran kaum nachweisbar, da er zwei neutrale Zeugen oder eine ungewollte Schwangerschaft als Beweis verlange.
 
Die ersten Moscheen in Deutschland sind 1924 in Berlin und 1961 in Hamburg als große Prunkbauten errichtet worden. Moslems in Deutschland waren damals wohlhabende Händler und Kaufleute, sagte Wunn. Zur Einweihung der Moscheen seien die Honoratioren der Städte gekommen. Erst mit den großen türkischen Gastarbeitergruppen in den 1960er Jahren änderte sich das Bild. Der Islam gehörte ab dann in Deutschland zur Arbeiterklasse. Seine lange Zeit aber noch neutrale öffentliche Bewertung änderte sich Anfang der 1980er, als die Akademisierung der zweiten und dritten Migrantengeneration begann und Frauen mit Kopftuch Konkurrentinnen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt wurden.

Neues Frauenbild für Deutschland?
Junge moslemische Frauen, die heute mit Kopftuch in Deutschland auftreten, seien keine Islamisten, sagte Wunn, sondern moderne, gebildete und intelligente Frauen. Sie würden den Koran oft besser als ihre Elterngeneration kennen und genau dort die Belege für ihre Frauenrechte finden. Indem sie demonstrativ öffentlich Kopftuch tragen und sich zu der islamischen Religion bekennen, versuchen sie sich von konservativen und männerbestimmten Kreisen abzugrenzen.

Wie das Kopftuch sollten auch andere muslimische Kleidungsstücke wie Burka, Niqab oder Tschador in Europa nicht verboten werden, forderte Wunn. „Wir würden in anderen Ländern unsere Kleidung auch beibehalten wollen“, sagte sie. Konsequent verboten sei die Burka interessanterweise neuerdings genau dort, wo sie lange mit Druck und Gewalt eingeführt wurde: Im Herrschaftsgebiet des sogenannten Islamischen Staates. Der Grund: Sicherheitsprobleme und Angst vor Anschlägen.

Ludger Heuer